An der GV der Männerriege Seengen wurde beschlossen, das im Jahre 2003 anstehende 75-jährige Vereinsjubiläum zum Teil schon dieses Jahr in einem besonderen Rahmen und vor allem im Kreise der Vereinsmitglieder zu feiern. Alle waren von der Idee begeistert, auf der diesjährigen Turnfahrt Cornwall, den südwestlichen Zipfel von England, die Heimat unseres Mitgliedes Patrick Sarjeant, zu besuchen. Mit der Reiseleitung wurden Herbert Rust, Roland Büchli und natürlich Paddy Sarjeant betraut.
Am Freitag, 6. September versammelte sich eine, durch die Reiseleitung mit einheitlichen Hüten und T-Shirts ausgerüstete Schar Herren im besten Alter bei der Post Seengen. Pünktlich um viertel vor sieben bestiegen sage und schreibe 28 reisehungrige Männerriegler den Regionalbus. Dieser war in Egliswil schon total überfüllt, was uns aber nicht sonderlich störte da wir ja alle einen Sitzplatz hatten. Völlig unerwartet war dagegen in der SBB ein ganzes Abteil für uns reserviert. Mit einer Stunde Verspätung starteten wir in Kloten mit Easy Jet und kurz vor Mittag hatten wir in London Gatwick wieder festen Boden unter den Füssen. Die Suche nach dem bestellten Bus und dessen Chauffeur erledigte unsere Reiseleitung mit Bravour. Diese beiden, der Bus und sein Chauffeur Richard, standen uns während dem ganzen Aufenthalt in England zur Verfügung.
Auf der rund 480 km langen Fahrt von London bis Perranporth, unserer Unterkunft an der Westküste in Cornwall, sahen wir beidseits der Strasse fast unendlich grosse, abgemähte Getreidefelder oder Weideflächen, auf welchen sich zum Teil hunderte von Schafen oder Kühen die Zeit vertrieben. Jedes dieser Landstücke ist von einer für diese Gegend typischen, mehr als ein Meter hohen Steinmauer oder Hecke umgeben.
Nach der ersten Verpflegung in einer Raststätte, bei einer von uns allen heissgeliebten Fastfoodkette, ging die Fahrt weiter Richtung Westen. Nach insgesamt etwa drei Stunden Fahrt machten wir einen weiteren Halt in der Gegend von Salisbury. Vor uns lagen, oder besser standen aufgetürmt die bekannten, 5000-Jahre alten Steine von Stonehenge. Wir kamen beim Anblick dieser bis zu fünfzig Tonnen schweren, aufeinander aufgetürmten Gesteinsbrocken nicht aus dem Staunen heraus. Dabei hatten wir die verrücktesten Ideen, wie die Leute diese Schwerstarbeit vor 5 Jahrtausenden wohl verrichtet haben könnten.
Da in England noch immer vor 19:00 Uhr in vielen Restaurants keine "richtigen Getränke" ausgeschenkt werden, mussten wir bis am frühen Abend auf das erste original englische Bier im Pub "Jamaika Inn" warten. Etwa um halb neun erreichten wir endlich unser Reiseziel Perranporth. Dies ist ein kleiner Ort an der Westküste in Cornwall, ganz im Süden von England. Unsere Unterkunft befand sich in einem grossen Feriendorf mit unzähligen kleinen Bungalows. Je vier Mann bildeten nun für die nächsten drei Tage einen WG-ähnlichen Kleinhaushalt.
Nach dem ersten Wohnungsbezug fuhren wir noch einige Kilometer weiter Richtung Süden. Wir waren dort bei Freunden von unserem "Engländer" Paddy eingeladen. Die ganze Männerrige wurde in einem Gartenzelt mit "Cornish Pasties", einer Spezialität dieser Gegend, verpflegt. Mit Heisshunger verzehrten wir diese sehr schmackhaften, mit Kartoffeln, Fleisch und Gemüse gefüllten Teigtaschen. Nach sogenannt "gemütlichem Beisammenhocken" wurden wir zu vorgerückter Stunde in verschiedenen Fahrten mit Taxis etwa 10 km bis zu unser Unterkunft zurückgefahren. Auf der schmalen, hügeligen Strasse, links und rechts mit den hohen Hecken gesäumt, fuhr unser Taxidriver mit seinen fremdländischen Passagieren in einem halsbrecherischem Tempo - wahrscheinlich hätte auch David Coulthard vor Angst in die Hosen gemacht - zurück zu unserer Unterkunft.
Nach der Übung - wie plaziert man 4 Duvet-Decken in 3 Anzügen - schliefen wir wie im Himmel bis am nächsten Morgen.
Nach dem Frühstück, das in jeder Temporärhaushaltung selbstgemacht wurde (im Feriendorf hatte am Morgen statt dem Restaurant nur der Supermarkt geöffnet), fuhren wir mit dem Bus bis Truro. Diese Stadt befindet sich am nördlichen Ende eines fjordähnlichen Meeresarmes. Wegen der Ebbe lagen dort die Schiffe bei unserer Ankunft aber alle auf dem Trockenen. Nach einer kurzen Fahrt Richtung Meer mit einem Doppeldeckerbus bestiegen wir ein Schiff und tuckerten damit in Richtung der Hafenstadt Falmouth. Vom Schiff aus genossen wir dabei neben der wunderbaren Landschaft auch das typisch englische Wetter. Auf der einstündigen Fahrt regnete es etwa sechsmal, aber nie länger als 5 Minuten. Manchmal hatten wir das Gefühl, dass es hier sogar bei schönem Wetter regnen kann.
Nach einem Spaziergang (ohne Regen) durch die Hafenstadt, Verpflegung mit "Fish and Chips", einem Marsch zum "Pendennis Castel" mit dem prächtigen Blick auf die Hafenbucht, brachte uns Richard mit dem Bus zum "Lizard Point", dem südlichen Ende von England. Dort liessen wir unsere Blicke aufs offene Meer schweifen und wir träumten den vorbeiziehenden Ozeanriesen nach. Zur Erholung von dieser Anstrengung trank anschliessend die halbe Männerriege - man lese und staune - einen "Cup of Tea". Damit war endgültig klar - wir hatten uns akklimatisiert, oder anders ausgedrückt, wir zählten uns schon fast zu den Einheimischen.
Zurück in Perranporth verliessen wir den Bus im Zentrum der Hafenstadt. Nach einem fürstlichen und guten Diner bildeten wir uns weiter in der Disziplin "wie benehme ich mich in einem Pub". Diese Übung wurde, wie nicht anders zu erwarten war, ohne grösseren Aufruhr in der Stadt bewältigt. Zum Abschluss des Tages marschierten wir eine halbe Stunde unter dem Sternenhimmel entlang der Küste und durch die Dünen zurück zu unserer Unterkunft. Nach einem kleinen, individuell gestalteten Schlummertrunk (ein Bier oder ein Whisky) begab man sich zur wohlverdienten Nachtruhe.
Der Sonntag wurde wiederum mit den Frühstückseinkauf begonnen. Danach fand zwischen den einzelnen Haushaltungen ein reger Tauschhandel statt. So erhielt man z.B. für ein Glas Abwaschmittel ein Stück Käse oder 1/2 Butter wurde mit einer Rolle Toilettenpapier aufgewogen.
Gestärkt durch das reichhaltige, selber gemachte Frühstück, besammelten wir uns um halb zehn am Rande des Bungalowdorfes zu einer etwa 3-stündigen Wanderung zum pittoresken Hafenstädten St. Agnes. Der Weg führte uns zuerst durch die kürzlich schon bei Dunkelheit überquerten Dünen und dann entlang des etwa ein Kilometer langen Sandstrandes von Perranporth. Es folgte der steile Anstieg auf das rund 100 m höher gelegene Plateau. Dort angelangt, war die Aussicht auf die hügeligen Felder von Cornwall auf der einen, und der Blick über die 100 m senkrecht abfallenden Klippen auf der anderen Seite, eines der eindrücklichsten Erlebnisse während unserer Englandreise. Diese Landschaften sind in unseren Breitengraden auch aus verschiedenen Filmen von Rosamunde Pilcher bestens bekannt. Die karge Vegetation erinnerte uns aber oft auch an eine unserer Alpwiesen, welche wir von den "normalen" Turnfahrten noch in bester Erinnerung hatten. An der Küste von St. Agnes, dem Ziel der Wanderung, konnten wir uns im Garten eines wunderbaren Pub's mit Speis und Trank wieder stärken. Am Nachmittag holte uns der Buschauffeur dort ab und die Fahrt ging weiter in Richtung des westlichsten Punktes von England. Das Ziel war "Grevor Tin Mine", eine der zahllosen Zinnminen Cornwalls. Hier wurde bis 1991, als die Zinnpreise wegen dem Zerfall des Kartells ins Bodenlose sanken, Zinn abgebaut. Die Stollen sind bis 400 m tief und einige führen bis 1,5 km unter den Atlantik. Die Führung durch das Werk und der Einstieg in einen der alten Stollen gab uns einen Eindruck über die harte und sicher nicht immer SUVA-konformen Arbeitsbedingungen der Mineure. Nach der Rückfahrt nach Perranporth wurde der Abend wiederum in einem für unsere Gruppe angemessenen Rahmen gestaltet.
Am Montagmorgen verliessen wir unsere Unterkunft in "aller Hergottsfrühe", das heisst, wir besammelten uns um viertel nach acht vor dem bereitstehenden Bus. Nach etwa einer Stunde Fahrt begann es so richtig zu regnen. Bis auf zwei ganz kurze Ausnahmen war uns dieses Vergnügen bis jetzt erspart geblieben. Die Reiseleitung hatte auch diesbezüglich sehr gute Arbeit geleistet.
Wie vorgesehen, kamen wir um halb fünf in Gatwick an. Die Zeit, bevor wir unser Schicksal zum zweitenmal in die Hände des Piloten der "Billigflug-Airline" legten, verbrachten wir mit einer Henkersmalzeit oder mit Einkäufen im Taxfree-Shop. Um viertel vor acht, mit leichter Verspätung - dafür bei strömendem Regen, verliessen wir London endgültig. In Zürich wurden unsere Nerven beim Warten vor dem Gepäckband leicht strapaziert, dafür mussten wir anschliessend keine fünf Minuten mehr warten bis wir mit der SBB den letzten Abschnitt unserer Reise in Angriff nehmen konnten.
Pünktlich um fünf vor elf entstiegen wir in Seengen dem Regionalbus. Damit war die wunderbare und in jeder Beziehung perfekt abgelaufene Reise nach Cornwall Vergangenheit.
An dieser Stelle möchte ich den Reiseleitern Herbert, Roland und Paddy, im Namen aller Teilnehmer, für die Organisation des von A - Z genial geplanten England-Trips ein grosses Lob aussprechen und herzlich danken. Die vier Tage werden für alle unvergesslich bleiben und man wird noch oft die Worte hören - "....weisch no, säb mol z' Cornwall!"
Text: R. Hess
Bilder: U.Bolliger/A.Sandmeier - siehe Fotogalerie